Teksty Ottona Franza Gensichena

Wspomnienie o Karlu Ludwigu Hencke    
Otto Franz Gensichen (1847 - 1933) - urodzony w Drezdenku niemiecki pisarz, dramaturg i publicysta
Poniższy tekst pochodzi z Heimatkalender für den Kreis Friedeberg (1917) - Karl Ludwig Hencke 
Wiersz Hebe pochodzi ze zbioru Frauenlob (1885)

     Bereits 1596 hatte Kepler in seinem „Mysterium cosmographicum” die denkwürdigen Worte geschrieben: “Zwischen Jupiter und Mars habe ich einen Planeten gesetzt”, aber diesen nur aus Grund des weiten Abstandes zwischen Mars und Jupiter vermuteten Planeten auch wirklich aufzufinden, gelang auf zwei Jahrhunderte hinaus keinem Astronomen. Selbst der Uranus, welcher nicht zwischen Mars und Jupiter, sondern weit, weit über die Bahn des Jupiter, ja, selbst des Saturn hinaus seinen Lauf beschreibt, wurde erst am 13. März 1781 durch Herschel entdeckt. Bis dahin hatte man sogar nur sechs Planeten gekannt, und erst seit der Auffindung des Uranus wurde von Lalande und Olbers auf eine systematische Durchforschung des Himmelsraumes hingearbeitet. Gleich der erste Tag des neuen Jahrhunderts sollte die seither schier unübersehbar gewordene Reihe der Planetenentdeckungen auf’s Glücklichste eröffnen: am 1. Januar 1801 fand Piazzi in Palermo die “Ceres”.Ihm folgte bereits am 28. März 1802 Olbers in Bremen mit der “Pallas”, dann am 1. September 1804 Harding in Lilienthal mit der “Juno” und am 29. März 1807 abermals Olbers in Bremen mit der “Vesta”. Diese vier, in verhältnismäßig kurzer Frist aufgefundenen Planeten kreisten wirklich zwischen Mars und Jupiter, wo bereits Keplers geniale Vermutung einen noch ungeschauten Wandelstern angenommen hatte. Mit erneutem Eifer warfen sich nunmehr die Astronomen auf die genaueste Durchforschung des Himmels, - umsonst, kein neuer Erfolg krönte ihre Mühen!
     Achtundreißig Jahre waren seit der Auffindung der “Vesta” in ergebnislosem Forschen verflossen, als aus einem kleinen Städtchen der Neumark die anfangs bezweifelte, dann jubelnd begrüßte Kunde verlautete: ein neuer Planet, der zwölfte an Zahl, sei entdeckt worden. In der “Vossischen Zeitung” erklärte Karl Ludwig Hencke zu Driesen an der Netze, daß er am 8. Dezember 1845 einen bisher unbekannten Stern neunter Größe gefunden habe. Die näheren Angaben waren so genau, daß durch Beobachtungen und Berechnungen, welche die Berliner Sternwarte anstellen ließ, sowie durch entsprechende Forschungen auf den Sternwarten zu Hamburg, Altona, Pulkowa, Greenwich usw. der himmlische Fremdling für  die Wissenschaft dingfest gemacht warden konnte. Auf Wunsch des Entdeckers übernahm Encke, Direktor der Berliner Sternwarte, die Taufe des neuen Sternes und vrlieh ihm den Namen “Asträa”.
     Natürlich wandte sich nun das allgemeine Interesse dem glücklichen Entdecker zu, und da erfuhr man, daß er ein Laie, ein von sehr bescheidener Pension lebender Postsekretär a. D. sei. Zunächst war es Alexander von Humboldt, der im Januar 1846 für Hencke “als Anerkennung seiner großen astronomischen Verdienste” die große goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft und wenige Tage später den roten Adlerorden vierter Klasse erwirkte. Wertvoller aber war es für Hencke, daß er zu seiner bisherigen Pension von nur 225 Thalern jetzt von Friedrich Wilhelm IV. einen jährlichen Zuschuß von 300 Thalern bewilligt erhielt. Man hatte ihm die Wahl gelassen zwischen diesem Pensionszuschusse oder der Beschaffung besserer Beobachtungsinstrumente auf Staatskosten, doch entschlied sich Hencke für ersteren. Auch das Ausland blieb mit seiner Anerkennung nicht zurück: König Christian VIII. von Dänemark verlieh ihm die Medaille “ingenio et arti”, und ein Jahr später konnte ihm Alexander von Humboldt schreiben: “Ich freue mich (Dank sei es Herrn Arago) Ihnen heute schon melden zu können, daß die Akademie der Wissenschaften zu Paris Ihnen, verehrter Mann, für ihre  wichtige und nicht zufällige Entdeckung für das Jahr 1845 den von Lalande gestifteten Preis, 635 Francs, zuerkannt hat. Sie sehen also, daß in Frankreich selbst der Neptun Leverrier’s Ihr großes Verdienst nicht verdunkelt hat”.
Die in diesem Briefe erwähnte Entdeckung des “Neptun” durch Leverrier ist allerdings eine in der Geschichte der Astronomie fast einzig dastehende wissenschaftliche Tat. Denn nicht durch sorgfältige Durchmusterung des gestirnten Himmels, sondern durch mathematische Berechnung machte Leverrier seine großartige Entdeckung. Angeregt durch Bouvard’s und  Bessel's Vermutung, daß ein noch ungekannter Planet durch seine Einwirkung gewisse unerklärliche Abweichungen und Störungen in der Bahn des Uranus veranlasse,  begann Urban Leverrier, damals Lehrer am Kollege Stanislaus in Paris, auf Aragos Zureden im Sommer 1845 (also noch vor Henckes Entdeckung der “Asträa”) die Bahn jenes mutmaßlichen Störenfriedes zu berechnen. Am 31. August 1846 veröffentlichte Leverrier seine Berechnung, und sie erwies sich als so zuverlässig, daß Dr. Galle, damals Gehilfe an der Berliner Sternwarte, den neuen Stern achter Größe fast genau an der von Leverrier ermittelten Stelle schon am 23. September 1846 wirklich auffand.
     Wohl durfte die Entdeckung Hencke’s in jenem Briefe Humboldts insofern als “nicht zufällig” bezeichnet werden, da sie die Frucht eines jahrelangen, überaus mühsamen Beobachtens und Einzeichnens war. Und wenn Alexander von Humboldt in einem anderen Briefe an Hencke diesen “den Vater der neuen Planetenentdeckungen” nennt, so wird niemand ihm diesen Ruhmestitel streitig machen, wenngleich Leverrier mit seiner genialen Berechnung des “Neptun” nur neun Monate früher hätte zu beginnen brauchen, um jenen Ruhmestitel für sich einzuheimsen.
     Hencke selbst setzte seine sorgfältigen Beobachtungen und Einzeichnungen unbeirrt fort, und am 1. Juli 1847 entdeckte er einen zweiten Planeten, für welchen er dem großen Mathematiker Gauß in Göttingen die Ehre der Namensgebung überließ. Gauß entschied sich für „Hebe”, und die Entdeckung der „Hebe” brachte dem glücklichen Hencke noch höhere Auszeichnungen, als die Auffindung der “Asträa”. Die philosophische Fakultät der Universität Bonn unter dem Dekanat Argelanders erteilte ihm das Diplom als „Doktor der Philosophie und Magister der freien Künste”, König Friedrich Wilhelm IV. verlieh ihm den roten Adlerorden dritter Klasse mit der Schleife, die astronomische Gesellschaft in London ernannte ihn durch ein von Herschel junior ausgestelltes Patent zu ihrem Mitgliede, und die Pariser Akademie erkannte ihm durch ein von Arago unterzeichnetes Schreiben abermals den Lalandeschen Preis für 1847 zu.
     Nach der “Hebe” hat Hencke keinen Stern mehr entdeckt, wiewohl gerade seither die Planetoiden in schier überraschender Anzahl aufgefunden wurden. Noch in demselben Jahre 1847 entdeckte Hind in London die “Iris” und “Flora”, und Hencke erlebte es noch, daß in den neunzehn Jahren von seiner Entdeckung der “Hebe” bis zu seinem am 21. September 1866 erfolgten Tode 83 Planetoiden aufgefunden wurden. Gegenwärtig kennen wir deren über 600, und da sich die Entdeckungen der Neuzeit fast ausschließlich auf Sternchen 12. bis 14. Größe beschränken, erregt heute die Auffindung eines neuen Planetoiden keine sonderliche Teilnahme mehr, und man nimmt sich kaum noch die Mühe einer eigenartigen Namensgebung, sondern begnügt sich meistens mit Erteilung einer fortlaufenden Nummer.
     Anders aber war es, als nach achtunddreißigjähriger Pause Karl Ludwig Hencke den ersten Planeten, die “Asträa” entdeckte, und der “Vater der neuen Planetenentdeckungen” verdient daher wohl ein ausführlicheres Blatt der Erinnerung.

     Karl Ludwig Hencke wurde am 8. April 1793 zu Driesen an der Netze geboren. Sein Großvater war Maurermeister; sein Vater (1752-1833) diente als Unteroffizier in der Artillerie unter Friedrich dem Großen, ward mit Versorgungsansprüchen entlassen, anfangs als Senator und später als Kämmerer in Driesen angestellt. Auf der dortigen, zu damaliger Zeit natürlich höchst mangelhaften Bürgerschule erhielt Karl Ludwig Hencke den ersten und einzigen Unterricht, doch veranlaßten ihn die beschränkten Vermögensverhältnisse seiner Eltern, bereits am 4. Januar 1807, noch nicht vierzehnjährig, als “Lehrling” bei dem Postamt seiner Vaterstadt einzutreten. Hierauf wurde er bei den benachbarten Postanstalten zu Woldenberg und Arnswalde, am letzteren Orte auch nebenbei in der Ratsregistratur und dem Amtsaktuariat, beschäftigt. Im Jahre 1813 trat er als freiwilliger Jäger in das  Yorksche Korps, kämpfte am 2. Mai in der Schlacht bei Groß-Görschen, wurde am 5. Mai mit dem Attest “da er sich durch Tapferkeit ausgezeichnet und davon zwei Wunden trägt bei seiner anderweitigen Anstellung bestens empfohlen”  definitiv entlassen und am 15. Mai 1813 als “Postschreiber” bei dem Postwärteramt in Hohenziatz bei Magdeburg angestellt, wo er bis zum 5. Juni 1814 verblieb. Dann war er bis zum 12. September 1814 in Goslar angestellt, darauf in seiner Vaterstadt Driesen, wo er im Jahre 1817 zum “Postsekretär” mit 300 Talern Gehalt befördert wurde. Ebendort verheiratete er sich noch in demselben Jahre und bekleidete unter allmäliger Gehaltsaufbesserung seine dortige Stelle bis zum 30. April 1834. Dann wurde er nach Schneidemühl (Provinz Posen) versetzt, wo er bis zum 31. März 1837 aktiv war, und übernahm darauf in Friedeberg in der Neumark die Vertretung des beurlaubten dortigen Postmeisters. Die Anstrengungen seines Berufs und in Sonderheit der häufige Nachtdienst zu Schneidemühl, das damals an der großen Landstraße von Berlin nach Königsberg in Preußen lag, hatten seine Gesundheit so geschwächt, daß er sich bereits mit dem 1. Oktober 1837 in seinem 45. Lebensjahre pensionieren ließ und nach fünfundzwanzigjähriger Dienstzeit (seit 1813 gezählt, das Kriegsjahr doppelt gerechnet), mit den damals  landesüblichen drei Achteln seines auf 600 Taler gestiegenen Gehaltes, das heißt also mit 225 Talern Pension in den Ruhestand trat. Er nahm fortan seinen dauernden Wohnsitz in Driesen, wo er auf der Vorstadt Kietz (einem ehemals wendischen Fischerdorfe mit noch zahlreichen Blockhäusern) ein eigenes Häuschen bewohnte. Aus seiner Ehe erwuchsen ihm keine Söhne, sondern nur vier Töchter, deren älteste, Helmine, unvermählt im Elternhause blieb und dem Vater mit tiefem Verständnis bei seinen astronomischen Arbeiten zur Hand ging. Die drei jüngeren Töchter verheirateten sich an die Herren Oschlitzky, Buske und Schultz, deren letzterer, um den Namen seines Oheims und Schwiegervaters nicht aussterben zu lassen, sich mit landesherrlicher Genehmigung fortan Schultz-Hencke nannte.
     Seit seiner Pensionierung lebte Hencke ein ruhiges, arbeitsames Forscherleben, in das nur die Entdeckung der “Asträa” 1845 und der “Hebe” 1847 äußere Aufregung brachten. Damals lag Driesen noch nicht an der Eisenbahn, und als sie im Oktober 1857 ihren Schienenstrang auch über das kleine Städtchen der Neumark erstreckte, waren seither so viele neue Planeten entdeckt, daß Hencke’s großes Verdienst schon den Reiz der Neuheit verloren hatte. Es drängten sich daher keinerlei Berühmtheiten in sein bescheidenes Observatorium, und er selbst hat, abgesehen von wenigen Besuchen der Berliner Sternwarte, nur einmal im Jahre 1860 die Wanderversammlung deutscher Naturforscher und Ärzte zu Königsberg in Preußen besucht. Er führte ein Stilleben mit seinen Büchern, die er allmählich bis auf über 3000 Bände vermehrt hatte, mit seinem für die damalige Zeit sehr guten Flügel, auf dem er meisterhaft zu phantasieren verstand, mit seiner ihm von Jugend her noch immer geliebten Pedalharfe, mit den Sternen, mit seiner Gattin und seiner  unvermählten Tochter Helmine. Einfach in seiner Häuslichkeit, seiner Erscheinung und seiner Kleidung, Autokrat in seiner Familie, mildtätig gegen Notleidende, leidenschaftslos, weder Kartenspieler, noch Raucher oder Schnupfer, eifriger Sammler alles historischen Materials zu einer Chronik der Stadt Driesen, von seinen Mitbürgern “wegen seiner gründlichen Lokalkenntnis und seines regen Eifers für das Wohl der Stadt” zum unbesoldeten Ratmann und auf mehrere Jahre zum Ehrenamt eines Schiedsmanns erwählt, rüstig an Gesundheit, jedem Gedanken an den Tod so abgeneigt, daß er weder ein Testament machte, noch über seine wertvollen, eigenhändig gezeichneten Sternkarten eine Verfügung traf, lebte er in Hoffnung eines hohen Alters arbeitsam dahin, bis ihn der zu Anfang des Jahres 1865 erfolgende Tod seiner ältesten Tochter Helmine erschütterte. Als im Sommer 1866 die Cholera sich auch Driesen näherte, floh er nach Marienwerder zu seiner an den dortigen Oberpostkomissarius Buske verheirateten Tochter. Wahrscheinlich infolge einer Erkältung, die er sich bei Besteigung des Glockenstuhls der Domkirche in Marienwerder zuzog (er wollte die Inschriften der von den Deutschordensrittern herstammenden Glocken studieren und den Ton auf ihren Zusammenklang prüfen), starb er an einem heftigen, schmerzvollen Magenleiden zu Marienwerder am 21. September 1866. Seine Leiche wurde nach Driesen gebracht und auf dem Friedhofe daselbst neben seiner Tochter Helmine in einer gemauerten Gruft beigesetzt. Ihn überlebten seine Witwe (gest. 15. April 1875), drei Töchter und zahlreiche Enkelkinder.
     Die geringe Schulbildung, welche er genossen hatte, suchte Hencke durch sein langes Leben in unablässigem Studium zu ergänzen. Schon frühzeitig erwachten seine astronomischen Neigungen, angeregt durch die Lektüre der “Anleitung zur Kenntnis des gestirnten Himmels” von Bode. Bereits 1822 schaffte er sich aus der damals weltberühmten optischen Fabrik von Utzschneider und Fraunhofer in München für 105 Taler ein Fernrohr an, dessen Brennweite 42 Pariser Zoll und dessen Objektivdurchmesser 32½ Pariser Linien betrug, wozu er später noch ein Kellnersches orthoskopisches Okular von großem Gesichtsfelde fügte. Ein alter Proportionalzirkel, den er bei einem Gelbgießer als altes Messing aus der Gefahr des Eingeschmolzenwerdens gerettet hatte, sowie eine nach seiner Anleitung von einem Uhrmacher hergestellte Uhr, welche Sternenzeit und mittlere Zeit anzeigte, vervollständigten nochmals sein “Handwerkzeug”. Besonders unterstützt wurde er durch sein außerordentlich scharfes Auge und seine hervorragende Anlage zum Zeichnen.
     Im Jahre 1825 veröffentlichte die Berliner Akademie eine Aufforderung zur Bearbeitung genauer Sternkarten und schrieb darin u. a.: “Dergleichen Karten werden, außerdem daß eine so genaue Kenntnis des Himmels ein eigentümliches Interesse erregt und viele astronomische Beobachtungen erleichtert, auch das wahre Mittel darbieten, die Kenntis unseres Sonnensystems durch Entdeckung neuer Planeten zu erweitern; sie werden diese sogar sicher herbeiführen können, während ohne spezielle Himmelskarten nur ein günstiger Zufall die Auffindung veranlassen kann !"
     Zweifellos entfachten diese Worte von neuem den Eifer Henckes, doch konnte er sich erst nach seiner im Herbst 1837 erfolgten Pensionierung systematischer den astronomischen Forschungen widmen. Auf dem geräumigen und sauberen Boden seines einstöckigen Häuschens auf dem Driesener Kietz hatte er anfangs nur einen Tisch und einen Stuhl stehen; eine eigentliche Sternwarte war nicht vorhanden. Einige Dachziegel wurden herausgehoben, auf einer bloßgelegten Latte eine frei bewegliche hölzerne Rinne angeschraubt und das Fernrohr festgebunden. Auf dem Tische wurde eine in auffallend großem Maßgabe von Hencke eigenhändig entworfene Sternkarte ausgebreitet, welche den dem Fernrohre gegenüberliegenden Teil des Fixsternhimmels enthielt. Diese Kartenentwürfe revidierte er fortwährend und gelangte gerade dadurch zu seinen Entdeckungen. Kraft dieses unermüdlichen Beobachtens, Einzeichnens, Vergleichens entdeckte er aus der erwähnten Dachziegelöffnung die “Asträa” und aus einer am östlichen Giebel vorhandenen Bretterluke die “Hebe”. Erst nach diesen Entdeckungen ließ er sich auf seinem Häuschen, das er bis an seinen Tod bewohnte, eine immerhin noch höchst bescheidene Sternwarte bauen.
     Die bereits frühzeitig begonnene Arbeit an den Sternkarten, deren Maßstab für eine Kugel von vierzehn Fuß Durchmesser (dreimal größer als die der Berliner akademischen Karten!) berechnet war, setzte Hencke unermüdet fort. In seinem Nachlasse fanden sich 349 sauber gezeichnete Sternkarten, von denen 12 die dem Aequator des Himmels zunächst liegenden Gegenden. 241 die nördliche und 96 die südliche Halbkugel betreffen. Den Wunsch, diese Karten durch den Stich vervielfältigt zu sehen, konnte sich Hencke der hohen Kosten wegen nicht gewähren. Letztere haben auch bisher die Herausgabe verhindert, wiewohl die Berliner Akademie nach Hencke’s Tode, durch Vermittlung von Argelander und Auwers, 1868 diese Karten für tausend Taler ankaufte, d.h. für etwa acht Mark pro Karte – ein Spottpreis im Vergleich zu der darauf verwendeten Riesenarbeit!
     Infolge seiner Planetenentdeckungen war Hencke von der Berliner Akademie zur Teilnahme an der Bearbeitung der seit 1825 geplanten akademischen Sternkarten aufgefordert worden, und mit hoher Freude willigte er ein. Die Hora 20 ist 1852 von ihm bearbeitet worden und stellt sich würdig neben die übrigen Blätter jenes Cyclus. Literarisch ist er dagegen nie weiter hervorgetreten, als daß er über die Erscheinung merkwürdiger Sonnenflecke, über Sonnen- und Mondfinsternisse, Kometen und Sternschnuppenschwärme seine jeweiligen Beobachtungen durch Berliner Zeitungen veröffentlichte.
     In demselben Jahre 1847, in welchem Hencke zu Driesen die “Hebe” entdeckte (ein Jahr, das durch die unmittelbar darauf erfolgenden Entdeckungen der “Iris” und “Flora” durch Hind das an Planetenentdeckungen reichste Jahr wurde, welches die Welt bis dahin gekannt), wurde ich zu Driesen, wo mein Vater Prediger war, als das jüngste Kind meiner Eltern geboren. Unser Wohnhaus lag unmittelbar an dem großen, herrlichen Festungsgarten, hinter welchem sich meilenweite, von den Nebenarmen der Netze durchzogene Wiesen erstreckten. Dort konnte ich eine so glückliche, sich wild austobende Kindheit verleben, wie sie ein großstädtisches Kind nie kennen lernt. Um so mehr, als der Vater uns Geschwister keine öffentliche Schule besuchen, sondern nur durch einen der städtischen Lehrer nachmittags von 4 bis 6 Uhr im Elternhause privatim unterrichten ließ. Wie viel freie Zeit blieb da zum Spielen und Umhertollen! Und doch hat unser lieber, verehrter Herr Genschmer durch diese zwei Stunden uns in allen Disziplinen mit Ausnahme des Lateinischen und Griechischen, wofür später noch besondere Privatstunden bei dem Rektor Dorenburg hinzukamen, soweit gefördert, daß mein älterer Bruder und ich zu Michaeli 1859 sehr gut vorbereitet in die Tertia des soeben eröffneten Gymnasiums zu Landsberg an der Warthe eintreten konnten. Dort wandte ich mich bald mit vollem Eifer der Mathematik und den Naturwissenschaften zu, und diese Neigung ließ mich die Bekanntschaft Henckes suchen, mit dessen ältester, unvermählter Tochter Helmine meine Mutter befreundet war.
     Wann ich zuerst bei Hencke vorgesprochen, weiß ich nicht mehr; ich weiß nur, daß meine persönlichen Beziehungen zu ihm mit den Osterferien 1865 endeten, da mein Vater im Mai 1865 von Driesen versetzt wurde, und ich seitdem meine Vaterstadt nie wiedergesehen habe. Aber seit ich den schon hochbetagten Astronomen einmal kennen gelernt, ließ ich keine Ferien verstreichen, ohne oft und lange mit ihm zu arbeiten. Die inetressanten Stunden auf seiner Sternwarte und gemeinsame Spaziergänge nach den Vordammer Anhöhen jenseits der Netze, wo er eine von ihm stets mit besonderer Vorliebe beobachtete Sonnenuhr aufgestellt hatte, werden mir unvergeßlich sein. Wie oft staunte ich, seit Michaelis 1864 Oberprimaner auf dem Friedrich-Wilhelms-Gymnasium zu Berlin und begeisterter Schüler Schellbachs, über die mühsame, weitschweifige Art, mit der Hencke, bei seiner Unkenntnis der höheren Mathematik, kleinere astronomische Berechnungen vornahm. Er hatte eine  geniale Anschauungs- und Auffassungsart, aber seine geringen Kenntnisse erschwerten ihm sein Streben unendlich. Seit er auf der Höhe seines Ruhmes stand, wurden ihm sowohl von einzelnen Forschern, als auch von gelehrten Körperschaften mancherlei Werke in fremden Sprachen übersandt, und es war rührend mitanzusehen, wie sein rastloser Wissensdrang wegen mangelnder Kenntnis fremder Sprachen nicht einmal die äußere Schale bewältigen, geschweige den sich an dem eigentlichen Kern erlaben konnte. Oft genug ließ er sich aus derartigen Werken wenigstens einige Stellen von mir aus dem Stegreif übersetzen, und unvergessen, wiewohl mir der Titel entfallen, ist mir namentlich ein alter lateinischer Foliant, aus dem ich ihm fast bei jedem Besuche etwas verdeutschen mußte. Jedenfalls bleibt es im Interesse der Wissenschaft innigst zu bedauern, daß Hencke, der sowohl durch die Schärfe seines Verstandes, wie seiner Augen zum Astronomen geradezu geboren war, nicht durch ein freundlicheres Geschick für die Gelehrtenlaufbahn erzogen wurde.
     Abgesehen von dem tiefgreifenden Einfluß, den er durch seine Planetenentdeckungen auf die gesamte wissenschaftliche Welt ausübte, hat Hencke durch persönlichen Umgang sonst wohl nur noch auf einen Driesener Landsmann bedeutender eingewirkt: auf meinen Oheim Alexander Kallusky, der von 1851-1854 Rektor der Driesener Knabenschule war und viel mit Hencke verkehrte. Vor letzterem durch die vollendete Gymnasial- und Universitätsbildung ausgezeichnet, ließ Kallusky, als er von 1854 – 1866  Landpfarrer zu Neu-Mecklenburg bei Friedeberg in der Neumark war, sich eine vortrefflich eingerichtete Sternwarte am Seitenflügel des frei und hoch liegenden Pfarrhauses erbauen, auf der auch ich oft mit ihm gearbeitet. In ähnlicher Weise wie Hencke widmete er sich dem Zeichnen genauester Sternkarten, und schon stand er in Unterhandlung, sie durch den Stich zu veröffentlichen, als 1863 Argelander unter Beihilfe tüchtiger Assistenten die Herausgabe seines berühmten “Atlas des gestirnten nördlichen Himmels” beendete. Hier war mit bedeutenderen Mitteln doch Bedeutenderes geleistet, als dem einsamen Landpfarrer möglich gewesen war, und entsagungsvoll verzichtete Kallusky auf die Veröffentlichung seiner Sternkarten. Als er 1866 von Neu-Mecklenburg versetzt wurde, mußte er die massiv gebaute Sternwarte auf eigene Kosten wieder abreißen lassen, und seither ruhten seine astronomischen Forschungen.
     Auf mich haben diese frühzeitigen astronomischen Studien, wenn ich sie auch  nicht in wissenschaftlicher Weise weiter verfolgte, nachhaltigen Einfluß geübt, und manche meiner Dichtungen, in Sonderheit die Märchen “Cassiopeia” und “Berenike”, sowie mein Roman “Zu den Sternen!” und meine Novelle “Laurentiusnächte” geben Zeugnis davon. Daß gerade in meinem Geburtsjahre in meiner Vaterstadt die “Hebe”, das Symbol ewiger Jugend und Schönheit, entdeckt wurde, nahm ich stets als “günstigen Aspect”, und die Abteilung lyrischer Lieder in meinem “Frauenlob” trägt, in Huldigung der dort Verherrlichten, jenen Gesamttitel und beginnt mit einer Danksagung an Karl Ludwig Hencke.









Hebe

Lass' mich zu deinen Füßen knieend lauschen
der holden Lippen süßem Schmeichellaut,
lass' mich an deiner Schönheit mich berauschen,
wie man begeistert zu den Sternen schaut.

Und frag' ich, welchen Namen ich dir gebe, -
nachdem ich lange wählte und verwarf,
ruht stolz beglückt mein Auge auf der Hebe,
die ich als meinen Stern bezeichnen darf.

Als meinen Stern! Denn in dem selben Jahre,
da Gottes Hauch zum Leben mich erweckt,
ward dieser Stern, der rastlos wandelbare,
in meiner Vaterstadt entdeckt.

Sie, die nur klein ist unter Deutschlands Städten,
sie wurde damals aller Blicke Ziel,
als von dem neuen Glanze des Planeten
auf meine Wiege auch ein Schimmer fiel.

Und wenn ich heute jener Zeit gedenke,
die mir beglückt im Vaterhaus verfloss,
grüßt mein Erinnern dich auch, Ludwig Hencke,
der deutend mir die Sternenwelt erschloss.

Ehr'würdger Greis, von Fürst und Volk gefeiert,
hast du mich jungen Schüler nicht verschmäht,
hast mir auf deiner Warte oft entschleiert,
der Sphärenwunder ernste Majestät.

Längst bist der Erde du zurückgegeben.
Ich aber nahm's als günstigen Aspekt,
dass du bei meinem Eintritt in das Leben
in uns'rer Heimath jenen Stern entdeckt,

für den die heitre Göttin ew'ger Jugend
- mir Glück verheißend - dir den Namen lieh.
Und jetzt, in Liebchens Engelsantlitz lugend,
jauchzt stolz mein Herz: solch' Glück erträumt' ich nie!

Du, meine Hebe, schön und schlank wie jene,
die im Olymp Unsterblichkeit kredenzt,
du bietest mir den Trank der Hippokrene,
draus dir und mir die ew'ge Jugend lenzt.

Ist deine Schönheit doch die Nektarschale,
draus mir der Born stets neuer Lieder fließt,
dass ewig jung noch unsre Liebe strahle,
wann unsre Herzen längst das Grab umschließt.





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